187
war, zeichneten sich die Deutschen von jeher durch Ehrlichkeit und
offene Ritterlichkeit im Streite aus; denn jeder war ehrlos, der mit
Hinterlist kämpfte.
Auch die Gastfreundschaft war ein hervorragender Zug der alten
Deutschen. Heilig und unverletzlich war der Fremde, in welcher Ab-
sicht er auch gekommen sein mochte. Offen stand ihm die Hiitte; an
dem Tische fand er seinen Platz. War der Vorrath des Wirthes auf-
gezehrt, so führte dieser seinen Gast weiter, und ungeladen gingen
beide dann in das erste beste Haus und waren eines freundlichen Em-
pfanges gewiß.
Am meisten aber trat bei den alten Deutschen die Liebe zur Frei-
heit hervor; freie Männer zu sein war ihr größter Stolz. Nur der
freie Mann durfte Waffen tragen und in der Volksversammlung er-
scheinen. Nie erscholl hier eines Zwing Herrn Machtwort; denn
eifersüchtig wachten alle, daß keiner allzumächtig werde und die Freiheit
in Gefahr bringe.
Das waren die Tugenden unserer Vorfahren, die indeß auch nicht
ganz frei von Fehlern waren. Waren sie nicht auf der Jagd oder
im Kriege, so lagen sie ganze Tage auf der sprüchwörtlich gewordenen
deutschen Bärenhaut, denn gegen jede friedliche Arbeit hatten sie eine
grenzenlose Abneigung. Damit war natürlich Geringschätzung alles
Eigenthums, das sich nur durch Arbeit erwerben läßt, verbunden.
Nach überstandenem Kriege oder glücklich vollbrachter Jagd erfrischte
man die ermüdeten Glieder gern beim Trinkgelage. Da wurde erzählt
von der Hitze des Kampfes, den Gefahren des Tages und den errun-
genen Siegen, während den Hörnern des Urs, gestillt mit Bier und
Meth, wacker zugesprochen wurde. Selten blieb es dann aus, daß man
im Trinken des Guten zu viel that, und der Held, der noch kurz zuvor
so kräftig dagestanden, mußte nun im Rausche schwach erscheinen. Oder
man griff auch wohl nach den Würfeln, und im leidenschaftlichen Spiel
wurde Hab und Gut, Weib und Kind, ja die eigene Freiheit, so
hoch man auch sonst dieselbe schätzte, dahingegeben. Ruhig ging daun
nach unglücklichem Wurf der Verlierende in die freiwillige Knechtschaft
und wurde der Leibeigene des andern.
Noch ein Zug des deutschen Charakters verdient der Erwähnung.
Die verschiedenen deutschen Stämme, deren es eine große Menge
gab, waren nämlich selten einig; Eifersucht und Neid herrschten zwischen
ihnen und waren die Ursache von verheerenden Kriegen gegen einander,
und besonders späterhin von mancherlei Niederlagen durch die äußeren
Feinde, denen man nicht immer gemeinschaftlich entgegen trat. Das
wußten und benutzten auch die Römer schon; sonst würde es ihnen
nimmer, auch nur auf einige Jahre, gelungen sein, Deutschland vom
Rhein bis zur Weser zu erobern und als römische Provinz
behandeln zu können.
Die Vorsteher, Grafen und Fürsten, welche man aus den
Tapfersten und Besten wählte, hatten nur sehr beschränkte Gewalt und
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TM Hauptwörter (100): [T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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85
Schlaf. Wer an dem rechten Tage und zur rechten Stunde an den
Blanik kommt, dem ist der Anblick der Reiter verstattet. — Am St.
Gregoriustage (dem 12. März) halten die Knaben aus der Umgegend
noch alle Jahre einen Umzug um den Blanik, indem sie die Sage
dramatisch darstellen. Ein Anführer wird gewählt, der läßt Halt
machen und fragt, ob es noch nicht Zeit sei. Ein anderer ist der
Sendbote, der fortgeschickt wird, um zu erkunden, wie es auf der
Oberwelt steht, und der darauf erzählt, was er weiß, bis der Anführer
spricht: „Noch ist's nicht Zeit!" und das kleine Heer sich auflöst.
63. Die Tyroler.
Die Tyroler sind ein schöner Schlag Menschen von gutem Wuchs
und großer Körperkraft; und man sieht hier noch Greise ohne alle Be-
schwerde bergauf, bergab steigen. Die Tracht der Tyroler ist aus-
gezeichnet, doch nicht allenthalben gleich. In den Hauptthälern trägt
der Landmann gern schwarze Beinkleider, die oberhalb des Knie's enden,
grüne Hosenträger über der Weste und einen spitzen Hut mit Bändern.
Die Tyroler sind ein treuherziges und biederes Volk, das jeden,
selbst den Kaiser duzt; sie sind fleißig und genügsam, hochherzig und
muthig, den größten Beschwerlichkeiten und Gefahren gewachsen, frei-
müthig, scharfsinnig, fröhlich und Freunde des Gesangs und der Musik,
ihre Berge und Freiheiten über alles liebend, anhänglich an den
Landesfürsten und voll Vaterlandsliebe.
Die Abgeschlossenheit in ihren Thälern hat ihnen Sprache, Sitten
und Sinn herrlich bewahrt. Singen, Pfeifen, Musik, Tanz und Kampf-
spiele gehören zu ihren vorzüglichsten Belustigungen. Kaum erschallt
die schlechteste Tanzmusik, so ergreift der Tyroler ein „Dirndl" und
beginnt mit ihm den gewaltigen Tanz, der dem Fremden eher eine
ermüdende Arbeit, als eine Belustigung zu sein scheint. Nebst dem
ungemein anstrengenden Stampfen mit den Füßen, machen die Tänzer
ganz besondere Sprünge und gewaltsame Leibesbewegungen, worunter
sich heftiges Händeklatschen mischt. Bei jeder Arbeit pflegt der stets
muntere und fröhliche Tyroler zu pfeifen; bei dem mindesten Anlaste,
zumal im Wirthshause, beginnt er mit den Füßen zu trappeln, und
wenn er etwas klimpern hört, das einer Musik ähnelt, mit den Händen
zu klatschen oder an die Schenkel und Kniee zu schlagen. Besondere
Freunde des Gesangs sind die Bewohner der hohen Alpen, deren
Lieder selbst in der Ferne vielen Beifall finden.
Sehr allgemein ist das Scheibenschießen, meist zur Kurzweil,
aber auch als Kriegsübung und als Aufmunterung zur Vaterlandsliebe,
daher man die Tyroler zu den besten und geübtesten Schützen zählt.
Da sie schon als Knaben mit dem Stutzen umzugehen und mit be-
wunderungswürdiger Genauigkeit das weit entfernte Ziel zu treffen wissen,
so ist auch die Jagdlust unter allen Ständen die allgemein herrschende
Leidenschaft. Die tausend halsbrechenden Gefahren der Gemsenjagd
schrecken den Schützen nicht ab, Tage lang auf Felsen herum zu klettern,
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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178
Die gewöhnlichsten Veranlassungen zum Vergnügen geben in Deutsch-
land die Jahrmärkte, Kirmessen oder Kirchweihen, Taufen und
Hochzeiten, die Scheiben- und Vogelschießen, die Weinlesen,
die Erntefeste rc., wobei Musik, Tanz, Kegel-, Würfel- und
Kartenspiele "gewöhnlich nicht fehlen.
Was endlich das Volk der Deutschen in Hinsicht seiner Geistes-
bildung anbelangt, so können wir kühn behaupten, das kein Volk die
Deutschen an geistiger Bildung übertrifft; denn nirgends ist in neuester
Zeit mehr für Volksunterricht und Volksbildung geschehen, als in
Deutschland. Von Charakter gilt der Deuffche für ehrlich, bieder,
fleißig, ausdauernd und besonnen. Von deutscher Treue und
Tapferkeit wird aus alten Zeiten manches herrliche Beispiel erzählt.
Ziemlich allgemein wirft man aber den Deutschen allzugroße Bedächtig-
keit vor, wodurch sie oft den rechten Zeitpunkt zum Handeln vorübergehen
lassen. In ihrer Berührung mit andern Völkern trauen sie diesen mehr
Gutes als Schlechtes zu, weshalb sie von denselben oft überlistet
worden. — Mit Ausnahme von ungefähr einer halben Million Juden
bekennen sich die Bewohner Deutschlands zur christlichen Religion.
Die Christen aber theilen sich in Katholiken und Evangelische.
Erstere, etwa 25 Millionen, bewohnen vorherrschend Süd- und West-
deutschland, wohingegen letztere, über 19 Millionen, die Mehrzahl
in Norddeutschland bilden. — Der Deutsche hat ein tiefes Gemüth.
Er führt ein innerliches, geistiges Leben und erhebt gern den
Blick von der Erde zum Himmel. Der religiöse Geist der Deut-
schen, ihr hoher Glaube spricht aus den herrlichen Domen und
Münstern in Köln, Straßburg, Ulm, Freiburg, Regensburg,
Augsburg, Wien, Magdeburg und Breslau zu allen folgenden
Jahrhunderten.
Freuen wir uns daher, daß wir Deutsche sind! Bestreben wir
uns aber auch, stets echte, wahre Deutsche zu sein!
3. Unsere Muttersprache.
Unsere Sprache ist die deutsche» aber zwischen Deutsch und
Deutsch ist hier ein solcher Unterschied, daß z. B. der Schwabe den
Westphälinger unmöglich versteht. Das Deutsche wird nämlich im
Süden ziemlich hart und am härtesten in dem Alpenlande, im Nord-
westen aber weich gesprochen, und für die Schriftsprache hat sich
eine mittlere Mundart, das Hochdeutsche herausgebildet, welches
am wohllautendsten in Holstein, Mecklenburg, Hannover, Braunschweig
und Sachsen gesprochen wird. In Limburg spricht man auch flämisch
und holländisch, welches ursprünglich deutsche Mundarten waren;
in Südtyrol und um Triest spricht man mehr und mehr italienisch;
daß man aber in Elsaß und Lothringen durch Unterdrückung
des Deutschen das Französische verbreitet hat, ist mindestens be-
trübend für den Vaterlandsfreund, der mit dem Dichter spricht:
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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232
wurde für 300,000 Thaler angekauft. Friedrich I. regierte als
König von 1701—1713 und hinterließ den Thron seinem Sohne:
33. Friedrich Wilhelm I., König von Preußen.
(1713-1740.)
Der König Friedrich Wilhelm I. war in mancher Hinsicht das
Gegentheil seines Vaters. Die kostspielige Pracht des Hofes, die
Friedrich!, eingeführt hatte, wurde von Friedrich Wilhelm I. abge-
schafft und die strengste Sparsamkeit eingeführt. An seiner Tafel und
in seiner Kleidung herrschte eine solche Einfachheit, daß seine Hofleute
sich über die Kargheit des Königs lustig machten. Er aber verwendete
die ersparten Summen zu bestem Zwecken und beschämte dadurch jede
Verleumdung. Er ehrte den Kriegerstand und wohnte fast täglich
den militärischen Übungen bei. Eine besondere Vorliebe hatte er
für große Soldaten, die er oft für bedeutende Summen kaufte. Sein
Leibregiment bestand aus Soldaten von riesenhafter Größe.
Einer seiner ausgezeichnetsten Generale war der Fürst Leopold von
Dessau, gewöhnlich der alte Dessauer genannt. Friedrich Wil-
helm vergrößerte den Staat durch einen Theil des Herzogthums
Geldern, Obergelderland (in der Rheinprovinz), und durch Stettin
nebst Vorpommern und den Inseln Usedom und Wollin.
Von seinem Sohne, dem Kronprinzen Friedrich, schien er für die
Größe Preußens nicht viel zu erwarten; der Knabe haßte den Zwang,
mit dem man ihn vom achten Jahre an zu militärischen Übungen
anhielt. Schon in seinem zehnten Jahre mußte er, trotz Wind und
Wetter, mit Tasche und Flinte Schildwacht stehen. Er aber
liebte Bücher und Musik mehr, als das Soldatenleben. „Der
Fritz", sagte der König einmal „ist ein Querpfeiferund ein Poet ge-
worden; er macht sich nichts aus den Soldaten und wird meine ganze
Arbeit verderben", und behandelte deshalb den Prinzen so strenge, daß
dieser den Entschluß faßte, nach England zu seinem Oheim Georg 1!.
zu entfliehen. Mit Hülse seiner Freunde Katt in Berlin und Keith
in Wesel sollte die Flucht von Wesel aus vor sich gehen (1730).
Aber sein Vorhaben ward aus seiner Reise nach den Rheinlanden ent-
deckt; er wurde auf Befehl des erzürnten Vaters vor ein Kriegsge-
richt gestellt und auf die Festung Küstrin in Arrest gebracht. Von
jetzt an nannte ihn der König nur den entlaufenen Fritz. Der
arme Katt wurde in Küstrin vor den Augen des Prinzen enthauptet.
Nach und nach söhnte sich der Vater wieder mit dem Sohne aus,
entließ ihn seiner Haft und schenkte ihm das Schloß Rheinsberg; er
schien den großen Geist zu ahnen, der in dem Prinzen wohnte. Der
König starb am 31. Mai 1740 und hinterließ seinem 28jährigen
Sohne Friedrich Ii. (geb. den 2. Januar 1712 zu Berlin) den
Thron, einen Schatz von neun Millionen Thalern und ein disciplinirtes,
geübtes Heer von 80,000 Mann.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_I. Friedrich_Wilhelm_I. Friedrich Wilhelm_I. Friedrich Wilhelm_I. Friedrich! Friedrich Friedrich Wilhelm_I. Leopold_von
Dessau Leopold Friedrich_Wil- Friedrich Friedrich Friedrich Georg Keith Fritz Friedrich_Ii Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Obergelderland Rheinprovinz Stettin Wollin England Berlin Wesel Wesel Rheinlanden Schloß_Rheinsberg Berlin
427
wurde öffentlich erzogen. Ihre Übungen, Spiele und ihr ganzes Leben war alsdann
gemeinschaftlich. Wissenschaft und Kunst war in Sparta nicht geachtet. Aller
Unterricht und die ganze Erziehung war nur darauf berechnet, daß die Knaben
willigen Gehorsam und Ausdauer lernten, um einst dem Feinde muthig entgegen-
treten zu können. Die Knaben mußten sich im Lausen, Ringen und Werfen üben,
und zwar warfen sie theils mit runden metallenen Scheiben, theils mit dem Wurf-
spieß nach dem Ziele. Alle Tage badeten sie sich im Flusse Eurotas. Schuhe
waren ihnen nicht gestattet, wenn gleich die Erwachsenen Sandalen trugen.
Man gewöhnte die Knaben, auf jede Frage schnell zu antworten; alles, was
man sprach, mußte kurz (lakonisch) sein. Der Gesang wurde gepflegt. Die Bür-
ger übten sich in kriegerischen Fertigkeiten, beaufsichtigten die Jugend und widmeten
sich dem öffentlichen Dienste. Keiner durfte ein Handwerk, noch sonst ein Geschäft
treiben, das auf Gelderwerb abzielte. Die Sklaven, Heloten genannt, mußten
das unter die Bürger vertheilte Feld bearbeiten und wurden grausam behandelt.
Gold- und Silbermünzen waren verboten, dagegen wurde ungeheuer großes eisernes
Geld eingeführt. Dadurch wollte Lykurg Diebstahl und Bestechung verhindern.
Um Weichlichkeit und Genußsucht ferne zu halten, traf er die Veranstaltung, daß
alle Männer öffentlich, in Gesellschaften von je 15, mit einander speiseten.
Die Gütergleichheit gefiel freilich nicht allen, insbesondere den reichen Leuten
nicht, welche nicht gern mit allen Bürgern gleichgestellt werden wollten. — Neben
dem Könige stand ein Senat (Gerusia) aus 28 sehr bejahrten Mitgliedern, die,
vom Volke gewählt, ihre Würde lebenslänglich behiclren. In Volksversammlungen
wurden die vom Könige und dem Senat gemachten Vorschläge entweder angenom-
men oder verworfen. Die Oberaufsicht über die ganze Staatsverwaltung hatten
die Ephoren oder Aufseher. Die Stadt batte keine Mauern; die Tapferkeit ihrer
Bürger sollte ihr Schutz sein. Wer für oas Vaterland fiel, wurde mit Lorbeeren
bekränzt bestattet.
Als nun Lykurg seine Gesetze vollendet hatte, reiste er nach Delphi, um zu
fragen, ob an seinen Gesetzen noch etwas zu ändern sei, ließ aber die Spartaner
vorher schwören, daß sie bis zu seiner Rückkehr nichts daran ändern wollten. Das
Orakel antwortete, Sparta werde bei seinen Gesetzen groß und ruhmvoll werden.
Diese Antwort schickte er nach Sparta und kehrte nie wieder dahin zurück.
Diese Verfassung bestand 500 Jahre. Die Spartaner'wurden wirklich
ein starkes, tapferes Volk; aber sie entftemdeten sich auch den sanfteren, mensch-
lichen Gefühlen.
Ñ. Solon und die Athener.
(591 B. Chr.)
Solon, den wir schon in der Geschichte von Krösus und Cyrus
kennen gelernt haben, war aus Athen gebürtig. Da er ein Handels-
mann war und nebenbei seinen Geist auszubilden strebte, so reiste er
in viele Länder, namentlich nach Kleinasien und der Insel Creta,
wo er sich im Umgänge mit Dichtern und Weltweisen bildete. Indem
er überall die Lebensweise, Sitten und Gesche der Menschen beobachtete,
sammelte er sich die Einsichten und Kenntnisse, womit er später seiner
Vaterstadt so nützlich werden sollte. Gleichzeitig mit ihm lebten in
Griechenland und Kleinasien Männer, die man wegen ihrer wissenschaft-
lichen Thätigkeit die Weisen nannte. Es waren ihrer sieben: außer
Solon noch Thales von Milet, Bias, Pittakus, Periander
von Korinth, Kleobolus und Chilon. Von jedem dieser sieben
Weisen wußte das Alterthum allerlei Aussprüche zu erzählen, in denen
ihre Vorstellung von Gottes Wesen und Vorsehung, von der Natur und
dem Menschenleben enthalten waren. So von Thales: „Das Urwesen
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König]]
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458
28. Adapoleon Bnonaparte.
(Um 1800.)
Napoleon Bnonaparte ward geboren den 15. Aug. 1769 auf
der kleinen Insel Corsica im mittelländischen Meere, nicht auf
einem Throne, sondern als der zweite Sohn eines Rcchtsgelehrten aus
einer alten adeligen, aber armen Familie; seine Mutter war Lätitia,
eine der schönsten Frauen ihrer Zeit. Er war früh schon ganz ein
Corse, voll trotziger, unbeugsamer Hartnäckigkeit, unruhigen, kriegerischen
Geistes, leicht entflammt zum Zorn, leidenschaftlich in seinem Hasse und
sehr ehrgeizig. Auf den Kriegsschulen zu Brienne und Paris zeichnete
er sich durch treue Erfüllung seiner Pflichten, durch strengen Gehorsam
und fleißiges Studium vor vielen seiner Mitschüler aus. Schon im
17. Jahre ward er Lieutenant in einem Artillerieregiment. Da be-
gannen am Ende des vorigen Jahrhunderts die Stürme der französi-
schen Revolution (1789), und der Jüngling, der auf seiner heimath-
lichen Insel die ersten Waffenthaten ablegte, der durch den Umfang
seiner Kenntnisse, seinen vortrefflichen Geist und seine ungewöhnliche
Ürtheilskraft sich schon große Achtung erworben hatte, fühlte, daß eine
Zeit komme, da für große Geister keine Schranken der Geburt beständen.
Bei der Belagerung der wichtigen Stadt Toulon, welche die Engländer
eingenommen hatten, war es seine Einsicht, Thätigkeit, Unerschrockenhett
und Ruhe, welcher man die Einnahme der Stadt verdankte. 1794
wurde er General der Artillerie. Eines solchen Mannes konnte
man aber in solchen Zeiten nicht lange entbehren. Nur er schien den
sich vorbereitenden Aufstand gegen das Direktorium (so hieß die da-
malige Regierung von Frankreich) dämpfen zu können, und er dämpfte
ihn durch kluge Anordnungen und Kartätschenkugeln in kürzester Zeit.
Zum Dank dafür wird er, erst 26 Jahre alt, General der Armee
in Italien, wohin er 1796 geht, um sich neuen Ruhm zu erwerben,
nachdem er sich mit Josephine, der Wittwe des Generals Beauharnais,
der aus dem Blutgerüste gestorben war, vermählt hatte.
Drei Heere hatte das Direktorium ausgerüstet, alle drei gegen
Österreich, welches mit England, Rußland und anderen Staaten
einen Bund geschlossen hatte zur Vernichtung der Volksherrschaft in Frank-
reich. Aber während der edle junge Erzherzog Karl von Österreich
in Deutschland über die Waffen der Franzosen triumphirte, den General
Jourdan besiegte und den General Moreau zum Rückzüge nöthigte,
war Napoleon, der ein hungriges und fast nacktes Heer von nur 30,000
Franzosen mit 30 Kanonen gegen 200,000 Österreicher mit 200 Ka-
nonen führte, überall siegreich, brachte ein ganz neues Leben in die
Soldaten, wußte zu allem Rath und erfüllte Europa nicht bloß durch
seine Worte, sondern auch durch seine Thaten mit wachsender Bewun-
derung. Bei Montenotte erfocht er den ersten Sieg (April 1796),
und Sardinien mußte aus den Reihen der Feinde Frankreichs treten.
Bei Lodi zeigte er sich am 12. Mai als Schlachtengebieter, dem sich
ganz Italien unterwerfen mußte, um zu einer Republik umgestaltet zu
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Josephine Karl_von_Österreich Karl Jourdan Moreau Napoleon Lodi
Extrahierte Ortsnamen: Corsica Paris Toulon Frankreich Italien England Frank- Deutschland Europa Sardinien Frankreichs Italien
Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
54
Frankreich.
§ 71.
Aus den Oliven (Früchten des Ölbaumes) wird das bekannte Provenceröl
sprovängser) gepreßt, welches den dortigen Bewohnern statt der Butter zur
Bereitung der Speisen dient. Auch der Maulbeerbaum wächst in großer
Menge, daher ist die Seidenzucht bedeutend (Lyon sliöngs). In der Mitte
des Landes und im N. sind Getreide (meist Weizen), Obst und Wein die
Haupterzeugnisse. Das Obst ist von vorzüglicher Güte. Frankreichs Weine
haben Weltruf, so die Weine aus der Gegend von Bordeaux (bordo), aus
Burgund und der Champagne (schangpänj). Die herrlichen Waldungen
der früheren Zeit sind gelichtet. Starke Geflügel- und Bienenzucht. Außer
der Seiden-Jndustrie im S. blüht die in Spitzen, Leinen- und Baumwollen-
waren (Artois [artod] und Flandern). In Paris sind Fabriken aller Art,
besonders in Seiden-, Putz- und Modewaren. Der Handel ist lebhaft und
wird befördert durch die Lage an zwei Meeren, durch Flüsse, Kanäle, Eisen-
bahnen und auswärtige Kolonien.
6. Bewohner. Frankreich war ursprünglich von Kelten bewohnt. Von Cäsar
wurde es (58—50 v. Chr.) den Römern unterworfen und blieb mehrere Jahrhunderte eine
römische Provinz. Zur Zeit der Völkerwandrung ließen sich in Frankreich deutsche
Völker nieder, so die Franken, Burgunder, Westgoten. Die Franken dehnten allmählich
ihre Herrschaft über das ganze Land aus und haben dem Lande den Namen gegeben.
So ist aus den Galliern, Römern und Deutschen ein Mischvolk entstanden. Doch haben
sich die Gallier mehr mit den Römern vermischt als mit den Deutschen. Darum rechnet
man die Franzosen zum romanischen Stamme. In der Bretagne haben sich die Kelten
rein erhalten. Die kathol. Konfession ist die vorherrschende. Seit 1870 ist Frankreich
eine Republik, vorher war es ein Kaiserreich unter Napoleon Iii. Die Franzosen sind
begabt, fassen leicht auf und sind in praktischen Dingen gewandt und anstellig. Sie
zeichnen sich durch Lebhaftigkeit, Gesprächigkeit, Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit aus.
Schattenseiten ihres Wesens sind: Leichtsinn, Reizbarkeit, Großsprecherei. Kunst und Wissen-
schaft stehen sehr hoch. Die Bildung ist aber weniger als bei uns ein Gemeingut des Volkes.
6. Paris, Hptst., 2s/4 Mill. E., erste Handelsst. und stärkste Festung Frankreichs,
von vielen Forts umgeben. Im Gebiete der Mode ist Paris tonangebend für die Erde.
Der großartige Verkehr zeigt sich besonders auf den Boulevards [bulwarss, d. s. große,
breite, mit Banmreihen bepflanzte Straßen. In der Nähe liegt Versailles (wersäjs,
Schloß Ludwigs Xiv. Rouen [ruang's, Handelsstadt.; für Seeschiffe noch erreichbar.
Le Havre slö awrs, wichtigster Handelshafen Frankr. an der atlant. Seite, besonders für
Baumwolle. Cherbourg sschärbürs, Frankr. stärkster Kriegshafen. Calais [kaläs, Uber-
fahrtsort nach England; danach wird die Wasserstraße zwischen Frankreich und England
benannt. Sedan [sedangs, Fabriken in Tuch; Schlacht 1870. Ranzig (Nancy snängßis),
die alte Hptst. von Lothringen. Nach der belgischen und deutschen Grenze hin liegen
starke Festungen, so Lille [Ist], 210000 E., Verdun [werdöngs, Toul [tulls, Belfort
[beför]. Reims [räng'ßs, früher Krönnngsstadt der sranz. Könige, Champagnerfabriken,
Dijon [dischöngs, Besançon [besangßöngs. Orleans [oríeártg] und Nantes [nangts,
Handelsstädte an der Loire.' Brest [bräßts, Kriegshafen. Toulouse [tnlüss, 150000 E.,
Handel. Bordeaux, 255000 E., Handel mit Wein. Bayonne [bajón", befest. Handelsstadt
[Bajonetts. Lyon [liöngs, 460000 E., stark befestigt, Fabriken für Seidenwaren.
St. Etienne [ßängt etje'ns, bedeutende Gewehrfabrikcn. Marseille [marßajs, 490000 E.,
größte Seestadt Frankreichs. Toulon stullöngs, großer Kriegshafcn. Nizza, berühmter
Badeort, wegen seines milden und gesunden Klimas besonders von Brustkranken besucht.
— Zu Frankreich gehört die Insel Korsika; sie ist rauh und unfruchtbar. Hptst. ist
Ajaccio [ajätschos, Napoleons I. Geburtsort. — Die auswärtigen Kolonien siehe §110.
Aufgaben. 1. Gib die Grenzen Frankreichs nach der Garte an! 2. bestimme Cluelle
und Lauf der Flüsse Fr.! 3. Neise auf dem kürzesten Wege zu Wasser von Paris nach
TM Hauptwörter (50): [T32: [Vgl Stadt Aufl Frankreich fig Maas Sch. Einw. Vergl Festung], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
TM Hauptwörter (100): [T99: [Frankreich Loire Stadt Rhone Gebirge Pyrenäen Paris Meer Garonne Lyon], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken]]
TM Hauptwörter (200): [T53: [Frankreich Stadt Loire Paris Rhone Garonne Maas Lyon Orlean Hauptstadt], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T160: [Insel Hafen Meer Küste Stadt Halbinsel Neapel Straße Einw. Hauptstadt], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Personennamen: Cäsar Napoleon Ludwigs Nancy Etienne Napoleons_I.
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Lyon Frankreichs Burgund Flandern Paris Frankreich Frankreich Westgoten Bretagne Frankreich Paris Frankreichs Paris Versailles Schloß_Ludwigs_Xiv Rouen Cherbourg Frankr England Frankreich England Sedan Lothringen Lille Verdun Belfort Reims Dijon Nantes Brest Toulouse Bayonne Lyon Marseille Frankreichs Toulon Nizza Frankreich Korsika Ajaccio Frankreichs Paris
Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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§ 28. iüolfsleben im 17. und 18. Jahrhundert.
4. Friedrichs Regierung war oft verschwenderisch, da er wie die
meisten Fürsten seiner Zeit dem verderblichen Vorbilde Ludwigs Uv. folgte.
Aber er förderte auch die Wissenschaft und die Kunst. In Halle gründete
er eine Universität und begünstigte August Hermann Francke, den
Gründer des Waisenhauses daselbst, in seinen Bestrebungen. Nach Berlin
rief er den großen Gelehrten Leibniz, den ersten Leiter der neugegründeten
Akademie der Künste, der sich der Freundschaft der anmutigen und
geistreichen Königin Sophie Charlotte erfreute. Der König ließ in
Berlin das Königliche Schloß und das Zeughaus erbauen und das Reiter-
standbild des Großen Kurfürsten errichten.
8 28. Volksleben im 17. und 18. Jahrhundert.
1. Das deutsche Volksleben hatte sich im Mittelalter kräftig entwickelt.
Wohlstand und eine gewisse Behäbigkeit waren auch im einfachen Bürger-
hause zu finden. Das Reformationszeitalter hatte auch auf das geistige
Leben des Volkes anregend gewirkt. Man war in jener Zeit zu der Er-
kenntnis gekonmien, daß auch dem gemeinen Manne ein gewisser Grad von
Bildung notwendig sei; darum hatten Fürsten und Städte begonnen, hohe
und namentlich auch niedere Schulen zu gründen. Aber durch die unseligen
Religionsstreitigkeiten war gegen das Ende des 16. Jahrhunderts ein Still-
stand eingetreten.
2. Der furchtbare Dreißigjährige Krieg zerstörte nicht allein die Wohl-
habenheit des deutschen Volks, sondern raubte demselben auch viele schöne
Tugenden. Kirchen und Schulen waren zerstört oder standen verödet, und
das Volk, wie seine Gelehrten und der Adel begannen die Franzosen in
Sitte, Sprache und Tracht nachzuäffen. An den deutschen Fürstenhöfen
galt der üppige Hofhält Ludwigs Xiv. als Vorbild. Prachtbauten und
Gartenanlagen wurden in französischem Geschmack ausgeführt, und eine
Festlichkeit jagte die andere. Die Steuern wuchsen zu kaum erschwingbarer
Höhe, und doch hatte das Land keinen Vorteil von den vermehrten Ein-
nahmen. Die Unterhaltungssprache war die französische, und geldgierige,
leichtsinnige Franzosen waren die Vertrauten der Fürsten. In dem allen
macbten die meisten der Hohenzollernfürsten eine rühmliche Ausnahme. Der
Große Kurfürst war ein echt deutscher Mann und Friedrich Wilhelm I. ge-
radezu ein Feind alles französischen Wesens.
3. Der deutsche Adel war durch den Dreißigjährigen Krieg verarmt.
Mit der Wohlhabenheit schwand bei vielen Adligen der alt-ritterliche, helden-
hafte Sinn. Nicht mehr im ernsten Waffendienste wuchs der Junker heran,
sondern er zog nach Paris, um dort französische Sprache und Sitten zu
lernen. Heimgekehrt zeigte er ganz offen seine Verachtung der guten Sitten
aus der Väter Zeit und führte ein leichtsinniges, oft lasterhaftes Leben,
wie er es am französischen Hofe gesehen hatte. Vielfach trieb ihn seine
verhältnismäßige Armut und die Sucht nach Titeln und Orden an den
Hof des einheimischen Fürsten, wo er ja im kleinen das fand, was er in
Frankreich kennen gelernt hatte: Hoffeste im französischen Stile, steife Um-
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Extrahierte Ortsnamen: Berlin Berlin Paris Frankreich
Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
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§ 29. Friedrich Wilhelm I.
§ 29. Friedrich Wilhelm I. (1713-1740).
1. Seinem Charakter nach war er das Gegenteil von seinem Vater.
Er haßte Pracht, Glanz und alles ausländische, namentlich französische
Wesen. Bald nach dem Begräbnis seines Vaters entließ der König die
Mehrzahl der unnützen Hofbeamten. Er verkaufte viele Juwelen und kost-
bare Gerätschaften und bezahlte mit dem Erlös die Schulden, die sein Vater
hinterlassen hatte. Seine Lebensweise war die eines wohlhabenden Bür-
gers; die Mahlzeiten bestanden aus Hausmannskost. Er trug den schlichten
Soldatenrock und war ein Bild derber Gesundheit. — Von Wissenschaften
und Künsten wollte er liur so viel gelten lassen, als sie handgreiflichen
Nutzen brachten. — Widerrede vertrug er nicht; „Räsonnier er nicht!"
war auf dergleichen seine Antwort. — Er selbst arbeitete gern und fleißig
nach seinem eigenen Worte: „Zur Arbeit sind die Regenten erkoren!"
Fleißige Arbeit forderte er auch von seiner Umgebung und seinen Beamten.
— Schlichte, aufrichtige Frömmigkeit war ein Grundzug seines Wesens.
(Sein Wahlspruch: „Ich bin kein Pietist (Frömmler), aber Gott vor alles
in der Welt und alles mit Gott!") Und so stellte er das Bild eines rech-
ten, strengen deutschen Hausvaters dar. — Seine Erholung fand er bei
der Jagd und im Tabakskollegium, wo er sich mit seinen Freunden bei einem
Glase Bier und einer Pfeife Tabak ohne allen Zwang unterhielt.
2. Er strebte danach, daß sein junges Königreich zu seinem hohen
Titel auch die Machtmittel erlange, durch die es den andern Neichen eben-
bürtig werden könne. Darum erstrebte seine Regierung dreierlei, nämlich, daß a.
der Wohlstand des Volkes gehoben, b. die Einnahmen des Staates ver-
größert und 6. das Kriegsheer vermehrt und kriegstüchtig gemacht werde.
a. Noch gab es in Stadt und Land viele wüste Stellen aus der Zeit
des Dreißigjährigen Krieges. Da sparte der König kein Geld. Er zog
viele Kolonisten ins Land, denen er Grund und Boden schenkte, und die
er mit barem Gelde, Saatgetreide und Zugvieh unterstützte. So nahm er
20000 evangelische Salzburger aus, die der Bischof von Salzburg um ihres
Glaubens willen hart bedrückt hatte. Er siedelte sie in Ostpreußen an, das
unter seinem Vorgänger durch die Pest sehr entvölkert worden war. Auch
schickte er andere Ansiedler hierher, so daß 12 neue Städte und über 300
Dörfer in dieser Gegend entstanden. — Potsdam verdankt eigentlich ihm
seine Entstehung; denn unter seiner Fürsorge stieg die Einwohnerzahl der
Stadt von 400 auf 20000. Berlin erweiterte und verschönerte er be-
deutend. Nicht selten zwang er bemittelte Bürger zum Bauen mit den
Worten: „Der Kerl hat Geld, muß bauen!" — Um den Gewerbfleiß
des eigenen Landes zu heben, erließ der König strenge Einfuhrverbote
und hob dadurch z. V. die Tuchmacherei sehr. — Seine Untertanen ge-
wöhnte er an strenge Ordnung; er hob z. B. viele Wirtshäuser aus und
gebot, daß die andern um neun Uhr abends geschlossen würden. Er zwang
auch sein Volk zur Arbeit. Niemand sollte müßiggehen. So befahl er,
daß die Hökerinnen in ihrer freien Zeit stricken, nähen oder spinnen sollten.
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Extrahierte Ortsnamen: Tabakskollegium Salzburg Potsdam Berlin
Hrsg.: Nowack, Hugo, Steinweller, F., Sieber, Hermann, Rohn, R. A., Paust, J. G.
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Simultanschule
Schultypen Allgemein (WdK): Simultanschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Konfessionell gemischt
§ 32. Friedrich Wilhelm 111.
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4. Kriege gegen die Republik. Die Fürsten Europas schlossen
einen Bund (Koalition), um die auch ihnen bedrohliche Revolution in Franko
reich zu unterdrücken. Zahlreiche Flüchtlinge, der französischen Königs-
familie und dem Adel angehörig (Emigranten), schürten den Kriegseifer in
Deutschland. Preußen und Österreicher stelen unter der Führung des Her-
zogs Ferdinand von Braunschweig in Frankreich ein. Dieser reizte durch
ein prahlerisches Manifest (Bekanntmachung) den Unwillen aller Franzosen
und ließ auf seine großen Worte keine Taten folgen. Das Heer litt
durch ungünstige Witterung und Seuchen; zwischen Österreich und Preußen
entstand eine ernste Mißstimmung wegen der Teilung Polens, und trotz
zweier Siege der Preußen sah sich Friedrich Wilhelm Ii. zum Frieden von
Basel genötigt 1795. — Im folgenden Jahre drang der junge, aber kühne
General Napoleon Bonaparte mit seinem schlecht ausgerüsteten, aber
dem Führer blind vertrauenden Franzosenheere in Oberitalien ein, schlug die
Österreicher mehrmals, drang durch die Alpenpässe nach Steiermark und
bedrohte Wien. Dadurch ward auch Österreich zum Frieden gezwungen,
der zu Campo Formio bei Udine (Oberitalien) 1797 abgeschlossen wurde.
Das linke Rheinufer nahm Frankreich als Beute.
§ 32. Friedrich Wilhelm m. (1797—1840).
1. Charakter. Friedrich Wilhelm Iii. folgte, 27 Jahre alt, seinem
Vater in der Regierung. Der alternde Friedrich der Große hatte an ihm,
seinem Großneffen, die größte Freude gehabt. Er war ganz anderer Art
als sein Vater. Er haßte den Prunk und die Verschwendung, war einfach,
mäßig und sparsam. Er entließ die Günstlinge seines Vaters, führte wie-
der Ordnung und Sparsamkeit in die Verwaltung ein, um die Schulden,
die sein Vater hinterlassen hatte, zu tilgen. Am wohlsten fühlte sich der
König in seiner Familie. 1793 hatte er sich mit der Prinzessin Luise von
Mecklenburg-Strelitz verheiratet. Sie war die „schönste Königin", voller
Anmut, Herzensgüte und Frömmigkeit. Ihre Freundlichkeit, selbst gegen den
Geringsten, gewann ihr aller Herzen. Voll Bewunderung und herzlicher
Freude schaute das Volk auf das erlauchte Paar auf dem Throne, das durch
ein echt deutsch-christliches Familienleben allen Untertanen vorleuchtete. —
2. In den schweren Wirren, die durch die Französische Revolution
hervorgerufen waren, hoffte Friedrich Wilhelm Iii. durch Neutralität (Nicht-
beteiligung) durchzukommen, um seinem Lande den Frieden zu erhalten,
obgleich alle europäischen Staaten mit der jungen Republik in Fehde leb-
ten und fast alle unterlagen, namentlich seit sich Napoleon an die Spitze
derselben gestellt hatte. Dieser war der 1769 geborene Sohn eines Ad-
vokaten auf der Insel Korsika. Noch jung an Jahren hatte er das mächtige
Österreich zum Frieden gezwungen (1797), war daraus, um England zu
schädigen, nach Ägypten gezogen und hatte ein türkisches Heer bei den
Pyramiden (bei Kairo) geschlagen.
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Extrahierte Ortsnamen: Europas Franko Deutschland Frankreich Polens Basel Oberitalien Wien Udine Oberitalien Frankreich Mecklenburg-Strelitz Korsika England Kairo